(See below for an English translation)
Ich sitze wieder einmal in Aussee mit Blick auf die Berge und denke nach. Sommerloch hat auch für mein Gehirn was Gutes. Und, dass sich aus der sonst spärlichen Nachrichtenlage neben lustigen Tiergeschichten ab und zu etwas in den Vordergrund drängt, das die Tagespolitik vielleicht überdauert.
„Macht, was Ihr wollt, aber seid Euch dabei sicher, dass Ihr das, was ihr macht, wirklich wollt“ sagte neulich im Radio der Musiklehrer Georg Friedrich Haas. Da muss ich an Frithjof Bergmann denken, den ich vor 6 Jahren einmal interviewen durfte.
Für Frithjof war es die Arbeit, die uns erst zum Leben bringt. Aber nur Arbeit, die wir „wirklich wirklich wollen“. Die Arbeit an an einem Musikstück sicher. Meine Arbeit oft, nicht immer. Was für ein Privileg.
Ich denke an die Handwerksforscherin Christine Ax, die darüber in ihrem Buch „Könnensgesellschaft“ geschrieben hat. Es gehe um das Können mehr als um das Wissen. Und dabei mache eben „Übung“ den Meister. Besser zu werden als immer wieder nach „Neuem“ zu streben.
Wieder einmal frage ich mich, ob es bei alldem ein Widerspruch ist, weniger arbeiten zu wollen, wenn man eh schon das tut, was man wirklich wirklich will. Immerhin spült dieses Sommerloch auch die Arbeitszeitdebatte immer wieder an die Oberfläche. Das ist relativ neu. Mich beschäftigt diese Frage, seit ich vor 40 Jahren in meiner Diplomarbeit zum Thema „Mikroelektronikrevolution“ geschrieben habe, wie das damals hieß. Heute reden wir von „künstlicher Intelligenz“. Die Sorge ist geblieben: nehmen uns Maschinen die Arbeit weg – oder befreien sie uns für anderes?
„Es gehr um viel mehr als nur um die Arbeitszeit“ schreibt dazu Karin Bauer im Standard. Um Bildung, Sicherheit und den makroökonomischen Rahmen zum Beispiel. Und um die Qualität der Arbeit, möchte ich hinzufügen. Ist das schon zuviel verlangt? Immerhin sind jetzt endlich auch die Gewerkschaften auf den Zug aufgesprungen.
Arbeit ist viel mehr als bezahlte Erwerbsarbeit. Meine Tochter beim lernen unterstützen, für Freunde kochen, politisches Engagement, Nachhaltigkeit voran bringen. „50.000 Stunden sind genug!“ hab ich dazu für das UniNEtZ formuliert und meinte damit bezahlte Erwebsarbeit. Ich wurde dafür erst neulich von einem namhaften österreichischen Politiker kritisiert, der fand, für so etwas sollte es kein Steuergeld geben.
Meiner bescheidenen Meinung nach sollte es nicht nur dafür (mehr) Geld geben, sondern für vieles andere, das dem Leben dienlich ist.
Gabriel Felbermayr, Österreichs oberster Wirtschaftsforscher, hat sich in einem ausführlichen Sommer-Interview damit beschäftigt, dass die dringend benötigte Energiewende nicht direkt in ein neues, grünes „Wirtschaftswunder“ führen wird, wie von vielen erhofft. Die Früchte der heute Not-wendigen Investitionen werden erst sehr viel später unsere Kinder ernten. Heutiger „Konsumverzicht“ sei dafür ein „Mittel zum Zweck“. Das meinen auch Janez Potochnik und Anders Wijkman vom Club of Rome in einem aktuellen Artikel.
Das ist für mich kein Widerspruch zum oben geschriebenen. Noch mehr als vor 50 Jahren, als der Club of Rome zum ersten Mal die „Grenzen des Wachstums“ ins Bewusstsein gerückt hat – zu einer Zeit also, als das BIP noch einen Bruchteil des heutigen ausgemacht hat und erstmals von „qualitativem Wachstum“ die Rede war – stellt sich heute die Frage, wie lebensdienlich unser Konsum noch ist oder vielleicht schon eher feindlich für unser eigenes Leben, das Leben vieler anderer und die Natur sowieso.
Und das stellt wieder einmal die Verteilungsfrage! Zwischen arm und reich, jung und alt, bei uns und weltweit – und zwischen Mensch und Natur. Darauf hat in diesem Sommer (beim katholischen Weltjugendtag) auch Papst Franziskus hingewiesen, wo er neben einer „ganzheitlichen Ökologie“ auch neue Zukunftsvisionen für Europa forderte.
Es fehlt uns in Zeiten „regelrechter Feindbilder“ eine gemeinsame Zukunftsvision, schreibt auch Karin Bauer. Eine solche Vision hat der Club of Rome mit seinem Bericht Earth4All vorgeschlagen, um deren Umsetzung in Ōsterreich wir uns in den nächsten Monaten verstärkt bemühen werden. Denn es reicht nicht, dass ein hochrangiges Expert*innen-Gremium Visionen hat. Es wird nur klappen, wenn viele Menschen so etwas auch wirklich wirklich wollen,. Um einen Systemwandel der Wirtschaft werden wir dabei nicht herum kommen. Aber auch der muss letztlich „gewollt“ werden.
Ich danke der österreichischen Steuerzahlerin dafür, auch diese Arbeit, die sich zu einem großen Teil auf Freiwilligenarbeit stützt, zu unterstützen. Männer sind natürlich mitgemeint.
————— Englisch translation —————-
really really wanting
Once again I sit in Aussee with a view of the mountains and think. Summer slump has something good for my brain, too. And, that from time to time, out of the otherwise sparse news, besides funny animal stories, something comes to the fore that perhaps outlasts the politics of the day.
„Do what you want, but be sure that what you do is what you really want“ said the music teacher Georg Friedrich Haas on the radio the other day. This makes me think of Frithjof Bergmann, whom I had the pleasure of interviewing six years ago.
For Frithjof, it was the work that brings us to life. But only work that we „really really want“. The work on a piece of music for sure. My work often, not always. What a privilege.
I think of the craft researcher Christine Ax, who wrote about this in her book „Könnensgesellschaft“ (Skill Society). It’s about skill more than knowledge. And „practice“ makes perfect. To become better than always striving for „something new“.
Once again I ask myself whether it is a contradiction in all this to want to work less when you are already doing what you really really want to do anyway. After all, this summer slump also keeps flushing the working time debate to the surface. That is relatively new. I’ve been preoccupied with this question ever since I wrote about it 40 years ago in my diploma thesis on the topic of the „microelectronics revolution“, as it was called back then. Today we talk about „artificial intelligence“. The concern has remained: are machines taking away our work – or are they freeing us up for other things?
„There is much more at stake than just working hours“ writes Karin Bauer in the Standard. It’s about education, security and the macroeconomic framework, for example. And about the quality of work, I would add. Is that too much to ask? At least the trade unions have finally jumped on the bandwagon.
Work is much more than paid employment. Supporting my daughter in her studies, cooking for friends, political engagement, promoting sustainability. I formulated „50,000 hours is enough!“ for the UniNEtZ and meant paid work. I was recently criticised for this by a well-known Austrian politician, who thought there should be no tax money for such things.
In my humble opinion, there should be (more) money not only for this, but for many other things that are useful to life.
Gabriel Felbermayr, Austria’s top economic researcher, dealt in an extensive summer interview with the fact that the urgently needed energy turnaround will not lead directly to a new, green „economic miracle“, as many had hoped. The fruits of today’s necessary investments will only be reaped by our children much later. Today’s „consumption renunciation“ is a „means to an end“. This is also the opinion of Janez Potochnik and Anders Wijkman of the Club of Rome in a recent article.
For me, this is not a contradiction to what was written above. Even more than 50 years ago, when the Club of Rome first raised awareness of the „limits to growth“ – at a time when GDP was still a fraction of what it is today and there was talk of „qualitative growth“ for the first time – the question today is how life-serving our consumption still is or perhaps already rather hostile to our own lives, the lives of many others and nature anyway.
And this once again raises the question of distribution! Between rich and poor, young and old, in our country and worldwide – and between man and nature. Pope Francis also pointed this out this summer (at the Catholic World Youth Day), where he called for a „holistic ecology“ as well as new visions for the future of Europe.
In times of „downright enemy images“ we lack a common vision of the future, Karin Bauer also writes. Such a vision was proposed by the Club of Rome in its Earth4All report, and we will intensify our efforts to implement it in ŌAustria in the coming months. Because it is not enough for a high-ranking panel of experts to have visions. It will only work if many people really want something like this. We will not be able to avoid a systemic change in the economy. But that, too, must ultimately be „wanted“.
I thank the Austrian taxpayer for also supporting this work, which is largely based on voluntary work. Men are of course included.
Eine Antwort auf „wirklich wirklich wollen?“
Dem Gesagten möchte ich nichts hinzufügen, stimme vollumfänglich zu und finde mich im gesagten wieder. Danke für diese Worte.